Hospitäler und Heilmethoden der Johanniter im Mittelalter

(c) Ruth M. Hirschberg

1. Die ersten Hospize in Jerusalem

Pilgerherbergen (hospitiae pauperum) hat es schon vor den Kreuzzügen an allen größeren Pilgerstraßen gegeben, vor allem in den für Seereisen gewöhnlich gewählten Hafenstädten. Ein Hospiz war für die Pilger gedacht und umfaßte zu jener Zeit Herberge, Gasthaus, Sozialstation und Obdachlosenasyl. Es wurde in der Regel als Stiftung wohlhabender Landesherren ins Leben gerufen und hatte demzufolge meist nationalen Charakter, war also nur für die eigenen Landsleute zugänglich. Jerusalem war schon im frühen Mittelalter ein beliebtes Ziel für Pilgernde, trotz der mit der Reise verbundenen Gefahren. Deshalb bestand besonders in der heiligen Stadt ein großer Bedarf an Pilgerherbergen, die jedoch entgegen der sonst üblichen Gepflogenheiten keinen nationalen Bezug hatten und allen Pilgern gleichermaßen offenstanden.

Ein Hospiz wurde in Jerusalem bereits um das Jahr 603 als gregorianische Stiftung neben dem Kloster "Santa Maria Latina" Karte Jerusalems aus dem Jahre 1180 mit Vermerk des Hospitalesgegründet und stand unter der Leitung benediktinischer Mönche. Dieses erste Hospiz wurde jedoch während der Eroberungszüge der Perser 614 zumindest teilweise zerstört. Durch die guten Beziehungen zwischen Karl dem Großen und dem Kalifen Harun al Raschid konnten mehrere christliche Kirchen und Einrichtungen in Jerusalem instandgesetzt bzw. neu errichtet werden, zu denen auch ein Pilgerhospiz zu rechnen ist, das, wenn nicht als Fortsetzung, so doch als Erneuerung des gregorianischen Hospizes angesehen werden darf. Dieses Hospiz wurde 1010 ebenso wie alle anderen christlichen Gebäude unter der Herrschaft des Kalifen Al Hakim Biamrillah zerstört. Später (das genaue Gründungsdatum scheint nicht bekannt zu sein, ältere Quellen weisen auf eine Zeit um 1040, während auch 1064, 1071 und 1086 als Gründungsjahre angegeben werden) gründeten amalfitanische Kaufleute, allen voran ein gewisser Mauro di Pantaleone, erneut eine Kirche mit Kloster und Hospiz, welches wiederum von benediktinischen Mönchen geleitet wurde (ob diese neue Stiftung mit der gregorianischen und karolingischen zusammenhängt, scheint nicht ganz gesichert). Dieses Hospiz war vor allem Rast- und Gasthaus für zahlungswillige Pilger.

2. Die Gründung des Hospitals des heiligen Johannes zu Jerusalem und der Orden der Hospitaliter

Die Gründung des ersten Hospitals des heiligen Johannes zu Jerusalem geht auf einen gewissen Gerard zurück, der bei der Belagerung und Einnahme Jerusalems während des ersten Kreuzzuges vom Leid und Elend der Sieger und Besiegten zur Gründung einer weltumspannenden unabhängigen Organisation christlicher Nächstenliebe und Menschlichkeit inspiriert wurde. Ein erster Schritt zur Realisation seiner Vision war die Gründung eines Hospizes, das dann jedoch hauptsächlich zur Versorgung Kranker diente, also schon die Züge eines echten Hospitals aufwies: das Hospital des heiligen Johannes zu Jerusalem.

Der selige Bruder GérardÜber Herkunft und das Leben Bruder Gerards (Pierre Gérard, Gérard de Martigues oder auch Gérard Tenque) finden sich die unterschiedlichsten Angaben, so soll er ein naturalisierter Normanne oder ein Amalfitaner gewesen sein, andere Quellen vermuten, er stamme aus der Provence oder der Auvergne. Ebenfalls ungeklärt bleibt die Tatsache, ob Bruder Gerard schon vor dem ersten Kreuzzug in Jerusalem heimisch war, und ob Bruder Gerard bereits Mitglied des Benediktinerordens des amalfitanischen Hospizes oder gar dessen Leiter war, so daß das "neugegründete" Hospital nichts anderes als eine Weiterführung des amalfitanischen Hospizes unter neuer Leitung wäre. Gegen einen Zusammenhang mit dem amalfitanischen Hospital spricht vor allem die Art, wie die nachher zum Hospitaliterorden gewordene Stiftung Gerards und dessen Verhältnis zu ihr in den ältesten päpstlichen Urkunden erwähnt wird. Gerard wird ausdrücklich als Begründer (institutor) der Fremdenherberge zu Jerusalem und diese als von ihm errichtet bezeichnet. Das neue Hospital Gerards könnte jedoch wegen seiner Lage in der Nachbarschaft des alten Hospizes bzw. auf einem von diesem einst genutzten Grundstück als Fortsetzung desselben gedeutet worden sein. Bereits das alte Hospiz war dem heiligen Johannes geweiht. Allerdings soll es sich bei dem Namenspatron um "Johannes den Barmherzigen" oder "Johannes den Almosengeber" gehandelt haben, einen im siebten Jahrhundert wegen seines karitativen Wirkens heilig gesprochenen Patriarchen von Alexandria. In der Privilegienbulle Papst Paschalis II (s. u.) wird jedoch bereits vom Patronat des heiligen Johannes des Täufers gesprochen.

Bruder Gerard stellte sein Hospital in den Dienst armer und kranker Pilger ohne Rücksicht auf deren Nationalität. Diese Fürsorge sollte den Pilgern jedoch nicht erst in Jerusalem zur Verfügung stehen, sondern bereits auf früheren Etappen ihrer Reise, um die schlimmsten Notstände während der Pilgerreise zu verhindern oder wenigstens zu lindern. Aus diesem Grunde schwebte Gerard die Zusammenarbeit bzw. die Gründung weiterer sozialer Einrichtungen an allen wichtigen Pilgerstationen vor. Genauere Daten zur Organisation diese Zieles und zur Gründung der Tochteranstalten fehlen, doch werden in einer Bulle Papst Paschalis II aus dem Jahre 1113 dem Hospital zu Jerusalem alle Schenkungen bestätigt, die ihm bisher zugewandt waren, darunter werden die Herbergen oder Armenhäuser (xenodochia seu ptochia) in St. Gilles, Asti, Pisa, Bari, Otranto und Messina genannt, also vor allem in wichtigen Einschiffungshäfen für Pilger und Kreuzfahrer. St. Gilles wurde früh einer der wichtigsten Häfen für den Verkehr mit Palästina, und daran hat das zum geistlichen Ritterorden entwickelte Hospital des heiligen Johannes einen sehr bedeutenden Anteil gehabt. Das dortige Ordenshaus gewann besonderes Ansehen, stand dem Range nach gleich hinter dem Haupthause in Jerusalem und galt nach dem Verlust Palästinas als solches.

Das Neue an der Stiftung Gerards bestand darin, den Pilgern ohne Unterschied nach Herkunft und Sprache Hilfe zu gewähren, und dieses Ziel dadurch zu sichern, daß sie diese Hilfe den Pilgern bereits vor Antritt der langen Seereise angedeihen ließ und sie so nach Möglichkeit vor dem Elend schützte, dem sie verfallen mußten, wenn sie krank, mittellos und ohne Rat oder Schutz die Überfahrt antraten. Die Stiftung Gerards gewann auf diese Weise Einfluß auf das gesamte Pilgerwesen und damit auf den Verkehr zwischen Ost und West. Die Finanzierung der Hospitäler erfolgte teils über Gewinne aus dem Handel, teils über Schenkungen. Gerard hat seiner Stiftung durch deren weite Gebiete umfassende Organisation zahlreiche, lange Zeit gleichmäßig ergiebige Hilfsquellen erschlossen. Auf ihnen beruhten Macht und Größe des daraus hervorgegangenen geistlichen Ritterordens. Anfangs war die von Bruder Gerard gegründete Genossenschaft eine zum frommen Werke vereinigte Brüderschaft. Ihre Mitglieder galten als die Diener, die von ihnen zu pflegenden kranken und armen Pilger als deren "Herren". Die dem Hospital zugewandten Stiftungen galten als den Armen gemacht, die Einnahmen der Hospitäler wurden als Einnahmen der Armen betrachtet, nicht aber als solche des Ordens und seiner Mitglieder. Daher legten auch noch später die von Einsammlung milder Gaben heimkehrenden Kollektoren den Ertrag ihrer Bemühungen im Krankensaal vor den armen Pfleglingen nieder. Ebenso wurde es mit den Responsionen gehalten, jenen Summen, welche die Ordensgüter verwaltenden Beamten nach Abzug aller Kosten als Überschuß an den Ordensschatz abführten.

In älteren Schriftstücken erscheint das Hospital als eine nur locker gefügte, aber weit verbreitete Genossenschaft, der nicht nur jene angehörten, die im Haupthaus und den Tochteranstalten die fromme Pflicht der Armen- und Krankenpflege ausübten, sondern auch diejenigen, welche durch milde Gaben zur Beschaffung der nötigen Mittel beitrugen. Alle, die das Hospital irgendwie unterstützten, wurden als ihm zugehörig betrachtet, ohne ein Gelübde abgelegt zu haben. Gerards Brüderschaft war eine Art von Wohltätigkeitsverein, und dies mag eine Grund für seine rasche Verbreitung gewesen sein. Eine Bulle Papst Innozenz II im Jahre 1137 sicherte der Brüderschaft die Sicherheit vor Bann und Interdikt, bestätigte die bereits erworbenen Güter aller Art und gab die Erlaubnis, für seine Anstalten zur Seelsorge Geistliche und zur Krankenpflege Laien anzunehmen. Erst in einer Bulle Papst Anastasius IV im Jahre 1154, die die schon bereits früher verliehenen Privilegien der Brüderschaft bestätigte, wurde daran die neue Bedingung geknüpft, den unter Ablegung des Professes der Brüderschaft Beigetretenen sollte es nicht mehr gestattet sein, deren Gewand wieder abzulegen oder zu einer anderen Genossenschaft überzutreten ohne ausdrückliche Erlaubnis des Meisters und Zustimmung der Brüder. Diese Bulle kann als Umbildung der älteren, weit verbreiteten, aber nicht ordensmäßig geschlossenen Genossenschaft Gerards zu einem geistlichen Orden gewertet werden. In der ältesten Fassung der Regel der Hospitaliter, die unter Gerards Nachfolger Raimund du Puys (ca. 1120-1160) aufgezeichnet wurde, ist vom Dienst an den Armen die Rede, dem sich die Genossen durch Ablegung des dreifachen Gelübdes der Keuschheit, des Gehorsams und des Verzichts auf eigenen Besitzes weihen. Erst später werden vom Johanniterorden auch kriegerische Pflichten übernommen. Der kriegerische Zweig des Ordens scheint in späteren Jahren zu überwiegen. In den Jahren zwischen 1170 und 1180 ergeht ein Erlaß Papst Alexanders III an den Ordensmeister Roger des Moulins mit der Anweisung, der Orden solle - entsprechend der Regel Raimund du Puys - mehr Sorge der Armenpflege und den Liebeswerken zuwenden; der Waffenführung möge der Orden sich enthalten, außer wenn die Fahne des heiligen Kreuzes entrollt sei und es die Verteidigung des Königreiches oder die Eroberung einer Stadt der Ungläubigen gelte. Die Armen- und Krankenpflege war Sache der dem Orden angehörigen Geistlichen und der dienenden Brüder sowie aushilfsweise angenommener Laien.

3. Die Johanniterhospitäler im Heiligen Land

Das Geheimnis der hervorragenden medizinischen Versorgung der Johanniter-Hospitäler bestand in der persönlichen und religiösen Zuwendung der Johanniter für die Schwachen und Kranken nach dem Gebote Christi: "Was du dem Geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du mir getan."

Die Johanniter scheuten sich jedoch nicht, die Erkenntnisse der arabischen Medizin wie auch den hohen Stand der griechisch-byzantinischen Heilkunst zu nutzen, wo die medizinischen Erkenntnisse der Antike (Lehren Galens etc.) im Gegensatz zum christlichen Europa erhalten geblieben und erweitert worden waren. Von hier stammten wohl die Erkenntnisse über die Bedeutung von Hygiene und Diätetik, deren Umsetzung ausschlaggebend für die Erfolge der Johanniter-Hospitäler waren. Darüber hinaus wurde von den Johannitern bereits der enge Zusammenhang zwischen der seelischen und körperlichen Gesundung erkannt.

Nach der Regel Raimunds sollte jeder Kranke zuerst beichten und die heilige Kommunion erhalten, er wurde dann zu einem Bett gebracht und mit allem Nötigen wie ein "Herr" versehen. Vorbild des großen Hospitals in Jerusalem war das 1136 in Konstantinopel gegründete Pantokrator-Hospital. Durch das Beispiel der mohammedanischen Krankenhäuser angeregt (im mohammedanischen Hospital von Damaskus wirkten im Jahre 978 schon 24 Mediziner), verfügte das Generalkapitel des Ordens 1181 unter dem Großmeister Roger des Moulins eine eigene Hospitalsordnung (Regula), wonach vier gelehrte Ärzte für das Hospital angestellt wurden, um die Natur der Erkrankungen zu erkennen (besonders hervorgehoben wurde die Fähigkeit, die Eigenarten des Harnes zu unterscheiden) und den Ordensbrüdern bei der Zubereitung der Arzneien Anleitung zu geben. Die Ärzte wurden vom Orden besoldet und durften weder Zahlungen noch Geschenke von den Kranken entgegennehmen. In jeder Abteilung des Hospitals mußten jeweils neun dienende Brüder zur Versorgung der Kranken zugegen sein. Ihre Aufgaben bestanden darin, als Diener ihrer "Herren", den Kranken, diesen die Füße zu waschen, ihre Tücher zu reinigen, ihre Betten zu richten, ihnen liebevoll zu trinken zu geben und in allen Dingen dem Wohl der Kranken zu gehorchen. Im Haupthaus zu Jerusalem wurden gleichzeitig bis zu 2000 Kranke gepflegt. Zu jener Zeit waren etwa 400 adlige Brüder im Hospitalsdienst tätig, zusätzlich wurden für die Pflege am Krankenbett vorwiegend nichtadlige Helfer auf Zeit angestellt und besoldet.

Der Kranke erhielt ein Einzelbett, was für damalige Verhältnisse sehr ungewöhnlich war. Üblicherweise mußten sich in den Spitälern mindesten zwei Personen, meist mit unterschiedlichen Erkrankungen, ein Bett teilen. In der Regula der Johanniter wurden sogar die Mindestmaße für die Betten vorgeschrieben. Jedes Bett sollte mit einer Decke und zwei reinen Leinentüchern ausgestattet sein. Zwischen den Betten lagen Bekleidung und Schuhwerk bereit, mit denen sich die Kranken bei notwendigen Gängen bedecken sollten (je zwei Kranke teilten sich einen Schafpelz und ein Paar Schuhe). Das Hospital nahm auch schwangere Pilgerinnen auf, obwohl den Brüdern der Umgang mit Frauen verboten war. Die Frauen wurden in die Obhut der dem Orden angegliederten Johanniter-Schwesternschaft (s.u.) gegeben. Das Generalkapitel verfügte ausdrücklich die Anfertigung von Wiegen, damit die Neugeborenen alleine lägen und nicht im Bett der Mutter zu Schaden kämen. An drei Tagen pro Woche erhielten die Kranken frisches Fleisch, meist vom Schaf oder Schwein bzw. für empfindlichere Kranke auch Geflügelfleisch. Im übrigen gab es Brühen und Brei, Eier und Mehlspeisen, Käse und Fisch. Papst Coelestin III. hob besonders lobend hervor, daß die Kranken auch Äpfel und Trauben erhielten, auch wenn sie noch so teuer waren.

In der Zeit vom 9. bis 13. Jahrhundert waren Arzt- und Priestertum eng verschwistert. Die Pflege der Heilkunst lag in dieser Zeit vornehmlich bei den Klöstern. Große medizinische Büchersammlungen entstanden in den führenden Klöstern, die sich zu Pflegestätten medizinischer Wissenschaften entwickelten, bevor Universitäten gegründet und damit auch weltliche Ärzte ausgebildet wurden. Die medizinische Wissenschaft des Mittelalters fußte auf den Lehren der griechischen und römischen Ärzte. Unter dem Einfluß der moslemischen Kultur im heiligen Land fand auch die arabische Wissenschaft, wo im Gegensatz zum christlichen Europa die antiken Lehren bewahrt und erweitert worden waren, vor allem über den Einfluß der Pflegeorden Eingang in die europäische Medizin. Die Grundlage bildete die Humoralpathologie, die von Hippokrates entwickelt und von Galenus erweitert worden war. Danach war die Gesundheit von dem normalen Verhältnis der vier Körpersäfte, Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle, abhängig. Galenus ordnete den vier Körperflüssigkeiten die Eigenschaften der vier Elemente zu: Feuer/Hitze, Luft/Kälte, Wasser/Feuchtigkeit, Erde/Trockenheit. Eine Krankheit erklärte man sich als Verschiebung des Gleichgewichtes dieser vier Körperflüssigkeiten (Dyscrasia). Aus der Säftelehre erklärt sich die Wichtigkeit, die man der Harnschau und dem Aderlaß beimaß. Das Harnglas wurde geradezu zum Wahrzeichen ärztlicher Tätigkeit. Deshalb gehörte auch in den Johanniter-Hospitälern die Beachtung der Absonderungen und Ausscheidungen zur Grundpflege, insbesondere die Harn- und Stuhlbeschau. Aderlaß und Schröpfen diente der Regulierung des Blutkreislaufes. Da allen Nahrungs- und Heilmitteln ebenfalls bestimmte Eigenschaften zugewiesen wurden, erklärt sich auch die große Bedeutung der Diätetik in der mittelalterlichen Medizin.

Das Johanniskraut (engl. St. John’s wort, Hypericum perforatum) verdankt seinen Namen den Johannitern, da diese das Kraut während der Kreuzzüge zur Wundversorgung eingesetzt haben. Die Blätter des Johanniskrautes weisen kleine rote Flecken auf, in denen ein Öl enthalten ist. Diese erinnern dem Aussehen nach an Blut, deshalb wurden die Blätter als Blutstillungs- und Wundversorgungsmittel eingesetzt. Tatsächlich können dem darin enthaltenen Wirkstoff Hypericin styptische, adstringierende und antiseptische Eigenschaften nachgewiesen werden.

Im Spital des heiligen Johannes waren auch die Kranken selbst keinesfalls von Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft befreit. So sollten die Kranken nicht ihre Mitpatienten belästigen oder gegen die Vorschriften murren. Die Rekonvaleszenten sollten jeden Lärm unterlassen. Sie sollten weder dem Würfel- noch dem Kartenspiel oder Schachspiel frönen. Sie durften weder Geschichten noch Chroniken laut lesen. Es war ihnen jedoch erlaubt, sich leise mit der Bibel oder anderer guter Literatur zu befassen. Wer gegen diese Regeln verstieß, wurde ermahnt und konnte, wenn er sich nicht besserte, bestraft werden, sofern es sein Zustand erlaubte.

In jedem Krankensaal wurde von den Ordensgeistlichen täglich eine Messe gelesen, es wurde die Beichte abgenommen, die Kommunion ausgeteilt und den Sterbenden der letzte Beistand geleistet. In kleineren Niederlassungen des Johanniterordens, wo es keine eigenen Altäre in den Krankenräumen gab und Kirche und Hospital räumlich getrennt waren, gab es Öffnungen in der Decke der Hospitalskirche, so daß die sich in dem darüber gelegenen Raum befindlichen Kranken und Pilger an den Gottesdiensten teilnehmen konnten (z. B. in der Hospitalkirche in Nieder-Weisel, Hessen).

In einem Hospital verstorbene Kranke wurden in einem verzierten Sarg, der mit einem durch das Ordenskreuz geschmückten roten Tuch bedeckt war, auf dem Ordensfriedhof beigesetzt, und die Priester des Ordens lasen die Seelenmessen.

Zum Dienst an den Kranken kam noch der Dienst an den Armen hinzu. Eine Armenspeisung wurde dreimal wöchentlich und zusätzlich an besonderen Tagen Hospitalität der Johanniter im Mittelalter(die zum Beispiel besonderen Stiftern gewidmet waren) durchgeführt. In der Fastenzeit wurden zusätzlich täglich jeweils 13 Arme gewaschen, beköstigt und mit Kleidung versehen und drei arme Kleriker mit Geld bedacht. Jährlich wurden 1000 Schaffelle an die Bedürftigen verteilt. Der sogenannte Almosenier des Ordens sammelte und reparierte mit seinen Helfern alte Kleidung, und es gab eine Schusterbruder, der sich mit seinen Helfern dem Schuhwerk widmete.

Der Orden kam für den Unterhalt von aus mohammedanischer Gefangenschaft zurückkehrender Krieger auf, ermöglichte die Eheschließung für arme Männer und Frauen und errichtete ein Findelhaus. Die Waisen und ausgesetzten Kinder wurden im Hospital ernährt und gekleidet, erhielten später dort eine Ausbildung und noch einen Zuschuß zur Ausstattung bei der Hochzeit.

Die einzelnen Ordensprovinzen lieferten je nach den örtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten die zur Krankenpflege benötigten Dinge. So lieferten zum Beispiel die Häuser aus Frankreich grünes Tuch für die Decken der Betten, St. Gilles lieferte ebenfalls Tuch und Kutten, Pisa und Venedig sorgten für verschieden gefärbte Baumwollstoffe, Konstantinopel für Filztuch, und Zucker wurde aus Tiberias und Mons Pelegrinus geliefert. Dem Orden vermachte größere Stiftungen wurden oft für den Erwerb ganz bestimmter Güter verwendet, z. B. für Weißbrot o. ä.

Außer in Jerusalem unterhielt der Orden im Heiligen Land noch in Antiochia, Tortosa, Tripolis, Akkon, Caesarea und Nablus eigene Hospitäler. Diese standen dem Haupthaus in Jerusalem in ihren karitativen Leistungen - wenn auch in entsprechendem kleineren Umfang - in nichts nach. Das Hospital in Akkon, das bald nach Eroberung der Stadt durch die Christen (1104) errichtet und im Jahre 1197 erweitert und ausgebaut wurde, war ebenfalls sehr groß und konnte viele Kranke und Bedürftige aufnehmen.

Das deutsche Hospital zu Jerusalem, das für deutsche Wallfahrer errichtet wurde und aus dem später der Deutsche Orden hervorging, stand zuerst unter der Oberhoheit der Johanniter. In einem Erlaß Papst Coelestins II vom Dez. 1143 wird es ausdrücklich dem Johanniterorden untergeordnet, der Meister des Johanniterhospitals ernannte den Prior des deutschen Hospitals.

Im Jahre 1187 fiel Jerusalem an die Moslems, der Sitz des Ordens wurde nach Margat, und nach dessen Fall im Jahre 1285 nach Akkon verlegt. Akkon fiel im Jahre 1291, und der Orden gewann Zuflucht auf Zypern. Die Vertreibung aus dem Heiligen Land bedeutete gleichzeitig den Verlust eines ganz erheblichen Teiles der wirtschaftlichen Grundlagen des Ordens. Der riesige Landbesitz im Orient und die Einnahmen hieraus waren endgültig verloren. Andererseits entfielen damit auch die enormen Ausgaben für den Unterhalt der Burgen, des stehenden Heeres und der Hospitäler im Heiligen Land. Die Situation des Johanniterordens war dennoch die beste unter den Orden, da seine soziale und krankenpflegerische Tätigkeit und die Sorge für die Pilger auch außerhalb Palästinas möglich war. Im Jahre 1296 wurde auf Zypern in Limassol ein Hospital errichtet. 1310 wurde nach dem Verlust des Heiligen Landes der Ordenssitz nach Rhodos verlegt. Erst Ende des 14. Jahrhunderts konnten die Johanniter ihre Aufgabe, die Pilgerstätten im Heiligen Land offenzuhalten und die Pilger durch Errichtung von Hospizen zu unterstützen, dank geschickter Verhandlungen wieder für kurze Zeit aufnehmen und sogar wieder ein Ordenshospiz in Jerusalem betreiben.

4. Die Ordenshospitäler auf Rhodos und Malta

Der Orden errichtete auf Rhodos sofort ein neues Hospital nach den bewährten Grundsätzen, das bereits im Jahre 1311 in einer Urkunde genannt wird. Der bedeutendste Hospitalbau wurde im Jahre 1449 begonnen und erst 1478 fertiggestellt. Die große Krankenhalle dieses Hospitals war 50 m lang und 12 m breit und wurde durch eine lange Reihe achteckiger Säulen in zwei Teile geteilt. An ihn waren kleiner Räume wie Küchen, Speisesäle und Vorrats- bzw. Verwaltungszimmer angeschlossen. Im Obergeschoß befanden sich elf Isolationsräume, und man begann, die Patienten nach Krankheiten zu trennen, was eine große Neuerung war. Für Lepra-Kranke gab es eine eigene Abteilung (Leprosorium, s.u.). Es gab ein große Apotheke und angeschlossene Zimmer für Ärzte, Pflege- und sonstiges Personal. Das große Krankenhaus war ein Hospital für Männer, Frauen und Kinder der Insel, Reisende wurden in dem in der Stadt Rhodos gelegenen Hospiz St. Catharina aufgenommen. Die Johanniter errichteten ein weiteres Hospital auf der Insel Kos, der Heimat des Hippokrates.

Im Jahre 1480 begann die erste Belagerung der Rhodiserritter durch die Türken, die zwar noch zurückgeschlagen werden konnte, im Jahre 1522 erfolgte dann jedoch die zweite Belagerung, die 1523 mit der Kapitulation den Ordensstaat auf Rhodos beendete.

Die Johanniter zogen sich über Kreta nach Messina/Sizilien zurück, erst im Jahre 1530 erhielten sie Malta von Karl V und gründeten dort einen neuen Ordensstaat. Im Jahre 1798 wurden die Malteser-Ritter, wie sie fortan genannt wurden, durch Napoleon Buonaparte von der Insel vertrieben.

Zur Zeit der Belagerung durch die Türken (1565) gab es auf Malta drei Hospitäler. Das erste war eine sehr kleine Stiftung in der Hauptstadt Mdina, das viel zu wenig Betten hatte. Das zweite war etwas größer und wurde von den Rittern der Zunge von Italien als Dependance zu ihrem Quartier in Birgu unterhalten Das dritte war die Sacra Infermeria, das Tochterhaus jenes Jerusalemer Hospitals, in dem der Gründer des Ordens gewirkt hatte. Die Sacra Infermeria war während der Angriffe der Türken immer stark gefährdet, wurde jedoch verzweifelt - zum Teil sogar unter Beteiligung der Kranken selber - verteidigt. Das Hospital spielte bei der Belagerung Maltas eine sehr wichtige Rolle, da hier Männer wieder kampffähig gemacht wurden, die anderswo bei den damals herrschenden Kriegsbedingungen fast mit Sicherheit ihren Verletzungen erlegen wären. Bemerkenswerterweise brach trotz der räumlichen Enge keine Seuche aus - die türkischen Belagerer litten mit ihren unzulänglichen Feldhospitälern anscheinend viel schlimmer unter Krankheiten.

Das alte Hospital bestand noch etwa zehn Jahre nach Umzug des Ordens nach Valetta, bis das dortige Hospital ( das wiederum "La Sacra Infermeria" hieß) fertiggestellt war - zur damaligen Zeit war es das größte Krankenhaus der Welt. Der Bau dauerte von 1578 (nach anderen Quellen begann der Bau bereits im Jahre 1474) bis 1582. Der Hauptkrankensaal war etwa 155m lang, 15m breit und über 10m hoch. An jedem Kopfende des Saales war ein Altar angebracht. Auf beiden Seiten des Saales standen Betten mit Eisenpfosten, die mit weißen Vorhängen, Laken und Überdecken versehen und peinlich sauber gehalten wurden. Auch hier bekam jeder Patient ein eigenes Bett - zur gleichen Zeit teilten sich im weltberühmten "Hôtel Dieu" in Paris acht bis 12 Personen eine Bettenbelegung. Die Patienten wurden aus hygienischen Gründen von silbernen Tellern bedient (aus Kostengründen wurden diese in späteren Zeiten durch Zinnteller ersetzt). Jede der Zungen hatte einen Tag in der Woche die Pflege der Kranken zu übernehmen. Das Ordenshospital machte auch hier keinen Unterschied zwischen Freien und Sklaven bzw. zwischen Freund oder Feind, was im übrigen Europa erst viel später üblich wurde. Es wurde sogar eine Abteilung für Geisteskranke geschaffen. Diese wurden sonst nicht als Kranke anerkannt, sondern kamen ins Gefängnis. Eine wichtige Neuerung für das Hospitalwesen war die größtmögliche Trennung nach Art der Krankheit und Ansteckungsgefahr. So gab es beispielsweise eine Diarrhoestation für die sogenannten "Flussuanti" und eine Fieberstation. Sterbende wurden in eigenen kleinen Räumen versorgt und Schwerkranke von leichteren Fällen getrennt. Für ansteckende Krankheiten (soweit bekannt) waren Isolationsräume vorgesehen. Das große Hospital konnte 500 Patienten aufnehmen, im Notfall sogar bis zu 900. Die Ärzte wurden zunächst auf Kosten des Ordens an den Universitäten von Florenz, Padua und Salerno ausgebildet, in späteren Jahren studierten die Internisten in Montpellier und die Chirurgen in Paris. Die Chirurgie behielt jedoch ihr geringes Ansehen an den Universitäten, und studierte Ärzte legten großen Wert darauf, getrennt von den Barbieren und Wundärzten zu agieren, die die Chirurgie und Wundheilkunst praktisch ausübten. Dies kommt zum Beispiel darin zum Ausdruck, daß auch an den Johanniterhospitälern den Chirurgen nur sogenanntes "Braunbrot" zustand, während Höhergestellte Anrecht auf Versorgung mit Weißbrot hatten. Im Jahre 1676 wurde eine eigene medizinische Hochschule errichtet, die großes Prestige besaß und von Studenten vieler Länder besucht wurde.

Immer noch bildeten die Werke der griechischen Ärzte Hippokrates und Galenus den Grundstock des medizinischen Wissens, doch kamen auch die Schriften des Arabers Avicenna (Ibn Sina) dazu. Die Chirurgie steckte wie überall in Europa noch in den Kinderschuhen, doch hatten die Ärzte des Orden zumindest in Fragen der Hygiene und Diätetik eine bessere Ausbildung genossen als die meisten ihrer anderen Zeitgenossen. Die Verabreichung von Ziegen- und Eselsmilch als Therapeutikum bei Magenerkrankungen führte zu dem erwähnenswerten Kuriosum, daß wegen Beschwerden einiger Patienten, die behaupteten, statt der vorgeschriebenen Eselsmilch lediglich Ziegenmilch erhalten zu haben, nun Esel und Ziegen täglich auf die Station geführt und vor den Augen der Patienten gemolken wurden. Erst im Verlaufe des 16. Jahrhunderts wurde die Chirurgie zu einem wichtigen Zweig der Medizin, besonders durch die Behandlung von Verletzungen, die durch die Anwendung der Feuerwaffen hervorgerufen wurden. Wunden wurden mit Salzwasser gereinigt und ausgewaschen. Wunden in weichen Gewebeteilen wurden genäht, durchschnittene Blutgefäße abgebunden. Als blutstillendes Mittel wurden die Wunden ausgebrannt und dann mit Werg oder Wolle verbunden. Die vermeintlich giftigen Schußwunden wurden durch Eiterung geheilt, indem man sie mit heißem Öl ausbrannte. Erst im Jahre 1545 wurde die antiseptische Wundbehandlung mit Essig, Honig, Destillaten von Pflanzen mit ätherischen Ölen und ähnlichen antiseptischen Stoffen durch den französischen Chirurg Ambroise Paré eingeführt. Bei der Behandlung von Frakturen wurde geschient und gestreckt, bei Schädelbrüchen entfernte man abgesunkene Knochenstücke, notfalls griff man zur Trepanation. Ein besonderes Spezialgebiet der Chirurgie war die sogenannte Steinschneiderei, bei der ohne Betäubung Blasensteine entfernt wurden. Der Malteser Chirurg Michelangelo Grima gelangte in dieser Disziplin zu weltweitem Ruhm, war er doch so erfahren und geschickt, daß er die Öffnung der Harnblase und die Entfernung des Steines innerhalb von zweieinhalb Minuten durchführen konnte.

Die Geburtshilfe lag in den Händen der Hebammen, die sich aus der Schwesternschaft (s.u.) rekrutierten, da man männliche Ärzte dem weiblichen Geschlecht möglichst fernzuhalten suchte. Nur in äußersten Notfällen holte man den Chirurgen. Der Kaiserschnitt wurde Anfang des 16. Jahrhunderts zum ersten Mal erfolgreich praktiziert.Bei Mundverletzungen, die die Nahrungsaufnahme erschwerten oder unmöglich machten, wurde die ausreichende Ernährung durch nährende Einläufe gesichert.

Zur Anästhesie setzte man Narkoseschwämme, die in Opiate, Alkohol und andere betäubende Lösungen (Alraunensaft, Schierling, Giftlattichextrakt) getaucht wurden, oder auch die Narkotisierung durch einen Schlag mit dem Hammer auf den Kopf des Patienten, der dafür mit einem besonderen, gefütterten Helm bedeckt wurde. Die so erzeugte leichte Gehirnerschütterung verursachte Bewußtlosigkeit und ermöglichte so kleinere Operationen.Wein galt als Therapeutikum und wurde aus dem nahe gelegenen Sizilien importiert. Aus medizinischen Gründen wurde der Wein genau zwei Stunden vor dem Mittagessen ausgegeben. Allerdings wurde dann der Stationsbetrieb durch ständige Störungen betrunkener Patienten so stark beeinträchtigt, daß die Weinausgabe schließlich nur noch zeitgleich mit den Mahlzeiten praktiziert werden durfte.

Zur Behandlung der Syphilis wurden die Patienten einem Heißluftbad unterzogen, in einem Kellerraum, der "Stufa" wurde dafür in einem großen Ofen Holz verbrannt, um die darüberliegenden Räume zu erhitzen, Zusätzlich wurden die syphilitischen Patienten mit quecksilberhaltigen Salben behandelt. Zu den Allheilmitteln, die man zur Behandlung von Wunden, Blutungen und Ruhr verwendetet, gehörte ein bestimmter schwarzer Pils (Fucus coccineus melitensis), der auf einem winzigen Eiland vor der Küste der Nachbarinsel Gozo wuchs, dem sogenannten "Pilzfelsen". Man hielt ihn für so wichtig, daß die Großmeister des Ordens persönliche Vorrechte darauf geltend machten und gegenüber des Pilzfelsens einen Wachturm errichteten, um Diebe abzuhalten. Man konnte den Felsen nur über eine Art Seilbahn an zwischen Gozo und dem Eiland gespannten Seilen erreichen. Der Pils wurde möglicherweise wegen seiner dunklen Farbe, die dem von geronnenen Blut ähnelt, als Heilmittel betrachtet. In modernen Analysen konnte jedoch keinerlei heilende Wirkung nachgewiesen werden.

Der Gesundheitsdienst der Johanniter war nicht auf das Hospital beschränkt, sondern auch auf See tätig. Keine Galeere des Ordens verließ Malta ohne Arzt, Wundarzt und Feldscher an Bord. Einer der Gründe dafür, daß die Besatzungen der Johanniter weniger an Krankheiten litten als die anderer Seemächte, war die strikte Einhaltung von Sauberkeits- und Hygienevorschriften (die Ruderer waren beispielsweise alle kahlrasiert) sowie die vergleichsweise gute Ernährung. Skorbut war recht selten, da regelmäßig frische Nahrungsmittel an Bord genommen wurden. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen grassierten auch auf den Johanniter-Schiffen "bösartige Fieber", man nimmt an, daß es ich dabei um Malaria und Brucellose handelte, letztere wird auch heute noch "Malta-Fieber" genannt.

5. Die Johanniter-Schwesternschaft

In Jerusalem bestand bereits ein der Heiligen Maria Magdalena geweihtes, der Aufsicht des Patriarchen von Jerusalem unterstelltes und von einer Schwesternschaft geleitetes Hospital. Es war von einer Frau vornehmer Abkunft mit Namen Aix oder Agnes zur Pflege kranker Pilgerinnen gegründet worden. An dieses Hospital knüpfte sich dann schon zur Zeit der Gründung des ersten Johanniter-Spitales die Stiftung der Johanniter-Schwesternschaft an. Der Augustinerregel verpflichtet, oblag diesen dem Johanniterorden angegliederten Schwestern die Pflege und Betreuung kranker Frauen und Pilgerinnen.

Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag wohl in der Geburtshilfe und in der Versorgung der Neugeborenen. Nach dem Fall Jerusalems blieb ein Teil der Jonniter-Schwesternschaft in Akkon, die anderen gründeten im Gebiet der Ordensbesitzungen weibliche Ordenshäuser. Diese Johanniterinnenkonvente waren selbständig oder lebten in sogenannten Doppelklöstern, die einem Ordenshaus angeschlossen waren.

Eine besondere Rolle übernahm das Hospitaliterinnen-Haus in Sigena in Aragonien, das im Jahre 1187 gegründet wurde. Die diesem Ordenshaus gegebene Regel wurde 1188 vom Hochmeister des Ordens bestätigt. Nach ihr lebten die Ordensschwestern nach Art der regulierten Kanonikerinnen des heiligen Augustin in klösterlicher Zurückgezogenheit unter einer von ihnen gewählten Priorin dem Gebet und frommen Werken. Sie standen unter der Aufsicht des Großpriors von Aragonien und weiterhin des Ordensmeisters.

Weitere Hospitaliterinnen-Häuser entstanden auf der pyrenäischen Halbinsel in Crisen (12. Jh.), Alguayre (um 1250), Tortosa, Sevilla, Evora und Estromenz. In Italien wurden die Häuser der Schwesternschaft im 13. Jh. in Genua, Pisa und Penna gegründet, in Frankreich in Martel (um 1200), Beaulieu (1259) und Fieux (1297, Großpriorat Auvergne). In England entstanden nach dem Fall Jerusalems in Hampton, Standon, Swingfield und Gosford Dependance des Schwesternordens, die aber im Jahre 1180 durch Hernry II aufgelöst und mit dem neu errichteten Haus zu Buckland in Somersetshire vereinigt wurden. Das böhmische Hospitaliterinnen-Haus ist bereits durch eine Bulle Lucius' III aus dem Jahre 1183 bestätigt, das zu Prag im Jahre 1188. Ein Haus in Schleswig wird zum Ausgang des 12. Jahrhunderts erwähnt.

Unter besonderen Umständen wurde auch die Errichtung von Ordenshäusern zugelassen, in denen Brüder und Schwestern unter einem Dache lebten. Soche gab es in den Niederlanden (Kerkwerve, Wytwerd, beide 13. Jh.) und in der Schweiz (Hoheinrein bei Luzern, Tobel, Biberstein, 14. Jh.).

6. Leprosorien und Lazarus-Orden

In den Johanniter-Hospitälern gab es für Leprakranke ein eigenes Haus (Leprosorium). Dies entsprach der gängigen Praxis im übrigen Europa, denn die Übertragbarkeit der Krankheit war schon seit altersher bekannt.

Im Heiligen Land entstand der Orden der Lazarus-Brüder, dessen Gründungsgeschichte nicht mehr eindeutig geklärt werden kann. Er entstand vermutlich im Jahre 1098 aus einem Leprosorium, das außerhalb der Mauern Jerusalem gelegen war. Bruder Gerard, der Gründer des Johanniterordens, soll dieses schon seit dem 4. Jh. bestehende Lepra-Hospiz neu organisiert und administriert haben. Fest steht, daß eine Gemeinschaft frommer Ritter sich in Jerusalem zusammenschloß und sich die Pflege der Aussätzigen zur Aufgabe machte.

Häufig waren diese Lazarus-Brüder selbst von der Krankheit befallen und hatten vorher einem anderen Pflegeorden, vor allem dem Johanniter- und dem Deutschen Orden, angehört. Bis 1213 mußte der Großmeister der Lazarus-Brüder sogar selbst ein Aussätziger sein. Folgende Johanniter, die an Lepra erkrankten, wurden Großmeister des Lazarus-Ordens: Der Gründer und erste Großmeister der Johanniter, Bruder Gerard (108?-ca. 1118); Boyant Roger, ein früherer Rektor des Johanniterordens (1120-1131) und der zweite Johanniter-Großmeister Raymond du Puy (1157-1159). Im 12. Jahrhundert siedelten sich die Hospitalbrüder vom heiligen Lazarus nach dem Verlust des Heiligen Landes durch den Ruf Ludwigs VII in Frankreich an (Stammsitz in Frankreich war das Château Broigny). Ständige Neugründungen von Lepra-Hospizen im westlichen Europa deuten auf die wachsende Verbreitung der Seuche hin. Im ganzen soll es nach der Schätzung des englischen Chronisten Mathieu Paris um die Mitte des 13. Jahrhunderts 19.000 Leprahäuser in Europa gegeben haben.

Für die Überwachung der Leprosorien wurden notwendige Isolierungsmaßnahmen getroffen, für deren Durchführung seit 1265 eine kuriale Anordnung bestand und die den Lazarus-Brüdern übertragen wurde. Die Lazaristen überwachten den Tagesablauf in den Spitälern.

Mit der Eindämmung der Lepra verloren die Lazaristen ihre Bedeutung, und im Jahre 1490 (andere Quellen nennen das Jahr 1498) versuchte Papst Innozenz VIII, den Orden endgültig aufzulösen. Dies gelang zwar nicht, doch kam es zu einer Spaltung des Ordens, und viele verbleibende Einrichtungen, hauptsächlich in Deutschland, wurden den Johannitern übertragen.


Quellen:

Borst, A (1973): Lebensformen im Mittelalter. Frankfurt, Ullstein Verlag

Bradford, E. (1996): Johanniter und Malteser. Die Geschichte des Ritterordens. 3. Aufl.München, Universitas Verlag

Die Johanniter - Verbandzeitschrift der Johanniter-Unfall-Hilfe-e.V.Bonn, Beta Verlag

Grochol, W. (1994):Krisen, Ketzereien, Krankheiten im ausgehenden Mittelalter. Eine populäre Medizingeschichte.Berlin, Frieling-Verlag

Königer, E (1958): Aus der Geschichte der Heilkunst. Von Ärzten, Badern und Chirurgen. München, Prestel Verlag

Prutz, H. (1908): Die geistlichen Ritterorden - Ihre Stellung zur kirchlichen, politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung des Mittelalters.

Berlin, Haude & Speynersche Verlagsbuchhandlung

Als Reprint in: "Die Ritterorden. Mönche als Kämpfer, Helden, Abenteurer", 1998 Augsburg, Bechtermünz Verlag

Staehle, H. (1998): Johanniter und Templer. Geschichte, Geheimnisse und Gegenwart. Gnas, Weishaupt-Verlag

Die Johanniter-Verbandszeitschrift

Gerhard Tonque Lagleder: Die Ordensregel der Johanniter/Malteser. 1983. Eos Verlag der Erzabtei St. Ottilien

Die Abbildungen der Jerusalemkarte, das Bildnis Bruder Gérards sowie die Abbildungen zur Hospitalität der Johanniter und des Hl. Johannes im Spitals wurden mit freundlicher Genehmigung des Verlages folgendem Buch entnommen:

Gerhard Tonque Lagleder: Die Ordensregel der Johanniter/Malteser. 1983. Eos Verlag der Erzabtei St. Ottilien.