Etwas über das Gravieren zu sagen, ist nicht leicht. Man sagt, es braucht 3 Jahre, um das Handwerk zu erlernen und weitere 7 Jahre, um es zu beherrschen. Somit dürfte man sich erst nach 10 Jahren Graveur nennen. Das erscheint lange? Nun, ist es auch. Allerdings sollte man nicht vergessen, was man da erlernen möchte.

So unbeholfen ein kleines Kind mit Stiften auf Papier malt, so unbeholfen fängt ein angehender Graveur an, Linien in weiches Kupfer zu ziehen. Und wie den Kindern auf dem Papier fällt es ihm anfangs sehr viel leichter, krumme Linien ins Kupfer zu stechen, als gerade. Es gibt viel zu lernen und noch mehr zu vergessen, was man im Laufe der Zeit falsch erlernt hat.

Im Grunde genommen ist es eine einfache Angelegenheit. Man nimmt einen harten Stahl, schleife das Ende in einem nicht zu spitzen Winkel zurecht, setze ein Stück Holz als Griff auf und schon hat man einen Stichel. Die ersten Versuche, mit einem solchen Gerät etwas auf das Metall zu zaubern werden selbst bei den Kleinen schallendes Lachen hervorrufen, denn so einfach ist es leider nicht, wie es sich anhört.

Ein Graveur sollte sein Werkzeug selbst herstellen könnnen, und dazu gehört ein fundiertes Wissen über spanende und spanlose Formgebung. Das Gravieren an sich gehört zur spanenden Bearbeitung, da Material - ähnlich wie beim Holzschnitzen - in kleinen Spänen "herausgeschabt" wird. Damit ein Stichel aus dem Metall einen sauberen Span herausnimmt, müssen viele Winkel am Stichel und im Bezug auf das Metall stimmen. Für jedes Material benötigt man einen anderen Schnittwinkel, genauso wie man hartes Holz anders schnitzt als weiches.

Die Spitze des Stichels erzeugt einen sehr hohen Druck auf das Metall. Einerseits, weil man draufdrückt, andererseits, weil die Spitze sehr scharf geschliffen ist. Ist der Druck hoch genug, so teilt sich das Metall und lässt sich als Span aus dem Grund herausheben. Je schärfer der Stichel und je genauer der Schnittwinkel also sind, umso leichter fällt es, das Material zu bearbeiten. Wer hat nicht schon einmal versucht, mit einem stumpfen Bohrer ein Loch in die Wand zu bekommen...

Man wird also einen guten Graveur sehr häufig dabei sehen, wie er seine Stichel schleift und schärft. Auch wird er sie wie rohe Eier behandeln und sie nach dem Gebrauch sorgfältig beiseite legen. Jedem Graveur ist es schon einmal passiert, dass ihm ein Stichel auf den Boden gefallen ist - natürlich mit der Spitze nach unten. Nach ein paar heruntergefallenen Sticheln und ein paar Stunden schleifen und schärfen verliert man einfach die Lust an der Unordentlichkeit...

Schreiben lernt man ebenso neu wie die Uhr zu lesen, denn um ein Monogrammsiegel herzustellen, muss die Schrift in Spiegelschrift graviert werden. Das mit der Zeit ist auch so eine Sache. Hat man früher 20 Worte die Minute geschrieben, so "schreibt" man jetzt vielleicht einen Buchstaben die Stunde. Gut Ding will eben Weile haben...

Üben, üben und nochmals üben, anders kann ich es nicht ausdrücken. Gutes Werkzeug, ein gutes Auge, eine ruhige Hand und vor allem Nerven wie Stahlseile sind eigentlich alles, was der Graveur so braucht.

Der Beruf des Graveurs existiert auf dem Papier zwar noch - es gibt sogar noch Ausbildungsplätze, allerdings ist er seit ein ein paar Jahrzehnten praktisch tot. Die Schildermacher bei Mister-Minit und co. beherrschen ihr Handwerk, allerdings übernehmen Maschinen die sonst zeitraubende und kunstfertige Arbeit. Massenware statt Individualismus, Dumpingpreise statt echter Wert.

Gute Graveure findet man selten, aber sollte man das Glück haben und über einen stolpern, so sollte man sich nicht scheuen ihn auszufragen. Handwerk muss erlernt werden und am besten geht es, wenn man es gezeigt bekommt und jemanden hat, der Fehler erkennt und sie zu korrigieren weiss.

Es geht eben nichts über einen guten Lehrer. Ich hatte keinen und musste mir an meinen Fehlern so manchen Zahn ausbeissen.